Krebs und Corona: Impfen bei Krebs
Wir alle beschäftigen uns mit dem Thema COVID-19. Wir stellen uns viele Fragen: Wie gefährlich ist das Virus eigentlich für mich? Werde ich es auch bekommen? Wie lange dauert das noch mit den restriktiven Einschränkungen unseres gesellschaftlichen Miteinanders? Werde ich Langzeitschäden davontragen, sollte ich mich infizieren? Noch dazu bin ich an Krebs erkrankt. Dadurch gehöre ich ja sicher der Risikogruppe an. Sollte ich mich impfen lassen bei all dem, was man derzeit so über die Gefahren von Impfungen hört und liest? Welcher Impfstoff ist sicher? Kann ich überhaupt Antikörper bilden, wenn mein Immunsystem geschwächt ist?
Die Unsicherheit bei all diesen Fragen ist stark verbreitet und wird oft noch durch die Medien oder durch Bekannte mit geringen medizinischen Fachkenntnissen geschürt. Deshalb hier der in YES!WEEKLY #07 angekündigte, vollständige Artikel von Prof. Dr. Dr. Guido Schumacher zu Krebs und Corona sowie Impfen bei Krebs mit allen wichtigen Hintergründen und dem besonderen Bick auf an Krebs erkrankte Menschen:
Sind Impfungen sinnvoll?
Grundsätzlich wissen wir, dass Impfungen mehr Menschenleben gerettet haben als der gesamte Rest der Medizin. Krankheiten, die früher Millionen Menschen getötet haben, kennen wir nicht mehr. Die Pocken sind ausgestorben, die Kinderlähmung ist auf einem guten Weg, komplett zu verschwinden. Durch Impfungen sehen wir Krankheiten wie Tetanus, Masern, Röteln, Mumps, Diphterie oder Keuchhusten praktisch gar nicht mehr. Wir leben in einer verwöhnten Welt, in der Heilung von Infektionskrankheiten selbstverständlich erscheint. Infektionskrankheiten sind dank der Impfungen nicht mehr Todesursache Nummer 1.
Natürlich sollten sich deshalb jede und jeder, also auch Menschen, die an Krebs erkrankt waren oder es noch sind, gegen COVID-19 impfen lassen. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) hat Empfehlungen zusammengestellt. Im Allgemeinen soll die Schutzimpfung besonders Personen mit einem erhöhten Infektionsrisiko, Personen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19, Personen mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko sowie deren engen Kontaktpersonen angeboten werden. Dazu gehören grundsätzlich auch Krebspatient*innen.
Wie funktioniert die Impfung?
Da nicht alle Menschen gleichzeitig geimpft werden können und da zu Beginn nicht ausreichend Impfstoff für alle zur Verfügung steht, wurde durch eine Rechtsverordnung des Bundegesundheitsministeriums eine sogenannte Priorisierung der Impfung festgelegt: Was bedeutet, dass die Dringlichkeit und die Reihenfolge der Impfung in drei Gruppen eingeteilt wird. Die Gruppen 1 und 2 mit höchster und hoher Priorität umfassen beispielsweise Alte, im Gesundheitswesen Tätige und Menschen mit bestimmten Erkrankungen, die das Immunsystem schwächen. In die dritte Gruppe mit erhöhter Priorität gehören unter anderem Patienten mit verschiedenen malignen Erkrankungen wie akute und chronische Leukämie, malignes Lymphom und Multiples Myelom. Aber auch Patient*innen mit fortgeschrittenen soliden Tumoren gehören dazu. Ferner betrifft dies auch alle Patient*innen unter aktueller systemischer Therapie. Das bedeutet, dass eine gewisse Wartezeit für Krebskranke besteht, bis gegen COVID-19 geimpft werden kann. Wenn natürlich Faktoren dazu kommen wie ein Alter über 80, bestimmte Begleiterkrankungen oder ein systemrelevanter Beruf gehört man nicht mehr in Gruppe 3, sondern in Gruppe 1 oder 2, so dass die Dringlichkeit dann erhöht ist. Wir sehen, dass eine pauschale Einstufung in eine bestimmte Gruppe nicht immer möglich ist. Ob COVID-19 für Patienten mit Krebs im Einzelfall sehr gefährlich ist oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab. Zum Einen ist das Risikoprofil durch Alter, Begleiterkrankungen, Rauchen und anderes wichtig. Zum anderen spielt die Krebsart, die Erkrankungssituation und die notwendige Therapie jeweils eine wichtige Rolle. Zusammen mit den behandelnden Ärzten ist es jedoch leicht möglich, gemeinsam die aktuelle Situation einzuschätzen und daraus die Dringlichkeit für die COVID-19-Impfung abzuleiten.
Der Schutz einer COVID-19-Impfung kann bei immungeschwächten Patient*innen geringer sein. Dazu gibt es allerdings noch keine sicheren Daten. Auch Daten zu einer schädlichen Wirkung der Impfstoffe existieren nicht. Angesichts der erhöhten, COVID-19-assoziierten Sterblichkeit der Krebspatient*innen empfiehlt die DGHO die Schutzimpfung auch bei Patienten vor, während oder nach einer Chemotherapie. Also besteht weder bei einer Krebserkrankung noch eine laufende Chemotherapie eine Kontraindikation für die Impfung, auch wenn der Effekt der Antikörperbildung möglicherweise geringer ist.
Wie effektiv sind die Impfstoffe?
Wie effektiv die zur Verfügung stehenden Impfstoffe sind, wurde in zahlreichen Studien ausreichend geprüft, so dass wir uns da weitgehend darauf verlassen können. Die beiden mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna haben einen Effekt von ca. 95 %, was ein sehr guter Wert ist. Impfstoffe gegen Grippe leisten nur 60 – 70 % Schutz. Es handelt sich hier nicht um einen Gentransfer, denn die mRNA wird im Körper rasch abgebaut, nachdem die körpereigenen Zellen die Information erhalten haben und das sog. Spikeprotein gebildet haben, was wiederum die Antikörperbildung gegen genau diese Proteine auf der Virusoberfläche anregt.
Der dritte Impfstoff ist der so genannte Vectorimpfstoff, der von der Firma Astra-Zeneca vertrieben wird. Ein harmloses und inaktiviertes Virus vom Affen trägt das Gen für das Spike-Protein in sich, welches die Antikörperproduktion gegen dieses Spike-Protein des Virus anregt. Er hat eine geringere Effektivität im Schutz, kostet allerdings deutlich weniger und ist weniger temperaturempfindlich, so dass dieser Impfstoff auch in ärmeren Regionen der Welt eingesetzt werden kann, denn dort fehlt oft die Logistik, mit der die aufwendigen Kühlketten aufrecht erhalten werden können. Nebenwirkungen sind vorhanden und nicht selten, jedoch gibt es diese bei jeder anderen Impfung auch. Sie müssen hier eher als normale Impfreaktion angesehen werden, mit der unser Organismus sich mit dem Impfstoff auseinandersetzt, um dann die Antikörper zu bilden.
Risiken und Nebenwirkungen?
Keiner der genannten Impfstoffe besitzt lebende Keine, so dass sie auch bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem gut eingesetzt werden können.
Neben der Impfung gegen COVID-19 ist eine Impfung auch gegen Grippe und Pneumokokken sinnvoll, denn beide Erreger verursachen Lungenentzündungen. Falls im seltenen Fall eine Infektion mit 2 dieser drei Erreger auftritt, kann das Krankheitsbild entsprechend deutlich schwerer ausfallen.
Zusammenfassend muss man klar die Impfung befürworten. Die wissenschaftlichen Daten sprechen da eine eindeutige Sprache. Die Nebenwirkungen können getrost vernachlässigt werden, wenn man den positiven Effekt auf die eigene Situation, aber auch gesellschaftlich sieht. Es wird der einzige sinnvolle Weg sein, die Pandemie zu überwinden. Wir sollten natürlich an uns denken und uns durch die Impfung schützen, aber wir sollten trotz nicht immer begründeter Sorgen oder Ängste nicht vergessen, dass wir auch andere in Gefahr bringen können, die uns lieb und teuer sind. Wir alle wollen ein normales Leben so schnell wie möglich wieder zurück haben, uns mit Freunden treffen, ins Theater oder Restaurant gehen etc. Lasst es uns angehen.
#dubistnichtallein